Heute schon etwas Gutes getan? Trinkgeld beim Bäcker gegeben, einen anderen Autofahrer vorgelassen oder dem Kollegen geholfen? Dann bist du doch jetzt sicherlich in der Stimmung … noch etwas Gutes zu tun? Quatsch – etwas Schlechtes zu tun! So denkt zumindest unser Gehirn. Das nutzt nämlich wĂĽnschenswertes Verhalten als moralische Rechtfertigung, um später unmoralisch zu handeln.
Dieser Effekt nennt sich Moral Licensing. Er beruht auf einem sehr einfach gestrickten mentalen Moralkonto, das wir offenbar haben. Wir fĂĽllen es mit guten Taten auf – um es anschlieĂźend dann nicht mehr so genau zu nehmen … und uns eher mal etwas Egoistisches zu gönnen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Denn wer tut schon nur Gutes? Das fĂĽhrt dann dazu, dass wir dem Schnorrer an der Ecke eher nichts mehr geben, wenn wir vorher Fair Trade statt normalem Kaffee gekauft haben, im Stundenkonto schummeln, weil wir im Feierabend ans Telefon gegangen sind oder mal eben mit dem Auto zum Kiosk fahren, weil wir sonst ja schon meist Ă–ffis nutzen.
Kurioserweise spielt dabei die Gewichtung der Taten kaum eine Rolle – wir rechtfertigen also auch größere Verfehlungen durchaus mal mit kleineren positiven Handlungen. Wenn das moralische Konto gut gefüllt ist, fangen wir an zu prassen. Ziemlich unabhängig davon, ob wir eine größere Summe für einen wichtigen Zweck gespendet haben oder die Dame mit den zwei Light-Joghurts an der Supermarkt-Kasse vorgelassen haben.